Die Stimme der KMU und der Wirtschaft
Wer in der Sondersession zur CS zuhörte, konnte den Eindruck gewinnen, die Schweiz bestehe aus CS und UBS. Im Ausland wird man oft mit dem Klischee konfrontiert, die Schweiz lebe von ihrem Finanzplatz. Beides ist weit gefehlt.
Banken erfüllen wichtige wirtschaftliche Funktionen – in der Schweiz und anderswo: Sie sorgen für den Zahlungsverkehr, ermöglichen Investitionen und verwalten Vermögen. Zudem verbinden sie das Land mit der Aussenwelt. Ob Personen ihren Familien im Ausland Geld überweisen wollen oder multinationale Konzerne ihre Flüsse organisieren wollen, sie brauchen international eingebundene Banken.
Daraus folgert aber keineswegs, dass Grossbanken notwendig sind. Noch weniger sind UBS und CS für die Schweiz von existentieller Bedeutung. Das Gegenteil ist vielmehr der Fall. Denn alle circa 240 Banken, die es in der Schweiz gibt, können die aufgezählten Funktionen erfüllen. Denn neben den vier Grossbanken gibt es in der Schweiz noch andere, nämlich Raiffeisen, Kantonalbanken, Privatbankiers oder diverse Regionalbanken.
Zusammen mit den anderen Finanzdienstleistern und Versicherern machen alle diese Banken etwa 9 Prozent des Bruttoinlandprodukts BIP aus. Das sind zwar etwa 70 Milliarden Franken pro Jahr, was keineswegs wenig ist. Doch andere wirtschaftlichen Aktivitäten haben einen grösseren Anteil an der Schweizer Wertschöpfung. Auf dem Handel gehen etwa 15 Prozent des BIP zurück; auf das verarbeitende Gewerbe und die Industrie macht fast 20 Prozent aus.
Damit ist das Klischee, die Schweiz lebe vom Finanzplatz, abgetischt. Der Finanzplatz ist in der Schweiz so bedeutend, wie er in anderen Ländern auch ist. Und im Übrigen: Anders als gerne propagiert wird, ist er seit Jahren schon «weiss», also mit einer strikten Geldwäschereigesetzgebung kontrolliert. In vielem geht die Schweiz dabei weit über den internationalen Standard und reguliert strikter als die meisten europäischen Länder.
Doch gerade der CS-Fall zeigt, dass mehr Regulierung keine Risiken minimieren kann. Risiken sind da, ob mit oder ohne Gesetz. Wenn die Risiken eintreten, können ihre Effekte verheerend sein. Weder Risiko noch Effekt kümmert es, was in den Artikeln der Gesetze steht. Das heisst aber noch lange nicht, dass die ganze Öffentlichkeit und der Staat für diese Risiken aufkommen muss.
Wie kann man denn den Risiken entgegenstehen? Indem man sie eintreten lässt und ihre Folgen zulässt, auch wenn sie einzelne Banken hart treffen. Der Clou ist, die Anzahl der Banken so zu erhöhen, dass die einzelne, die betroffen ist, keinen grossen Schaden anrichtet. Das nennt man Diversifizierung.
Risiken werden immer eintreffen. Also muss man sich damit abfinden. Man kann sich nur von Risiken «immunisieren», wenn man, wenn sie schon eintreffen, genügend Alternativen hat. Der Volksmund hat also Recht, wenn er behauptet, man solle nicht alle Eier in einen Korb legen.
Was heisst das aber für Banken? Ganz einfach: Die Schweiz sollte mehr als nur 240 davon haben. Denn je mehr Banken sie hat, desto verteilter sind die volkswirtschaftlichen Risiken, die aus einer Bank ausgehen. Doch leider ist das Land den anderen Weg gegangen. Es wird nicht nur schwieriger, eine neue Bank zu gründen, sondern auch teurer eine bestehende zu unterhalten. Je teurer und dichter die Regulierung, desto weniger Banken, desto höher die volkswirtschaftlichen Risiken.
Und damit sind wir wieder beim Anfang. Die Übernahme der CS durch die UBS ist ein Notfallplan, der vermutlich sogar funktioniert. Aber um von solchen Aktionen wegzukommen und um das Problem der Banken, die zu gross sind, um bankrott zu gehen, zu lösen, müssen andere Konzepte her. Das Rezept dazu heisst Dezentralisierung und Deregulierung. Mehr kleinere Banken bedeutet mehr Auswahl, mehr Wettbewerb und kleinere Risiken.
Die Schweiz braucht Banken; viele, kleine Banken.
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Zur Person:
Henrique Schneider ist Verleger der «Umwelt Zeitung». Der ausgebildete Ökonom befasst sich mit Umwelt und Energie aber auch mit Wirtschafts- und internationaler Politik.